
DIE RASSE
HISTORISCHE ENTWICKLUNG
Das Leutstettener Pferd ist eine historische Rasse, die im 19. Jh. als edles Reit-und Fahrpferd entstand. In dieser Zeit spielte das Pferd für das Militär eine entscheidende Rolle und gewann in den napoleonischen Kriegen eine dominierende Bedeutung auf dem Schlachtfeld. Aufgrund veränderter Taktiken fand nach der Schlacht bei Waterloo eine züchterische Umformung des Kavalleriepferdes statt. Es wurde kein, für individuelle Kampfmanöver ausgebildetes „Schlachtross“ mehr benötigt, sondern schnelle Kampfverbände für grosse Distanzen. Erst durch die Verbesserung von Feuerwaffen im Laufe des 19. Jh. und dann durch die Technisierung im 20.Jh., verlor das Pferd für das Militär und in der (Land-) Wirtschaft seine Bedeutung.
Die „Wettläuferrasse“, das Englische Vollblut, trat von den britischen Inseln aus, seinen Siegeszug über Europa an. Definiert über die Registrierung im General Stud Book, also eine lückenlose Abstammung, die sich auf die orientalischen Gründerhengste der Rasse zurückführen lässt ( 1680-1704: Byerley Turk, Darley Arabian, Godolphin Arabian), selektiert über Rennleistung, modernisierte der Englische Vollblüter auf dem Festland die einheimischen Rassen. Es entstanden sogenannte Halblutrassen für den vielseitigen Einsatz.

DAS GESTÜT SÁRVÁR UND DAS GESTÜT LEUTSTETTEN
Die Herrschaft Sárvár, im gleichnamigen Städtchen in Westungarn gelegen, wurde 1803 vom Erzherzog Ferdinand von Modena-Este erworben und zu einem durchorganisierten Gestütsbetrieb geordnet. Seit 1816 werden die Gestütsbücher lückenlos geführt. Das Gestüt verwendete nach der Konsolidierung des gewünschten Rassetyps über ein strenge Selektion auf der Mutterseite, Furioso-North Star Hengste und beste leistungsgeprüfte Vollblüter als Beschäler. 1875 gelangte Sárvár durch Erbschaft in den Besitz des Bayerischen Königshauses Wittelsbach. 1945 gelang es Prinz Ludwig von Bayern die Sárvárer Herde nach Leutstetten zu evakuieren und so vor dem Zugriff der Sowjetarmee zu bewahren.
Das Sárvárer – Leutstettener Pferd steht bis heute unverändert im edlen, vom englischen Vollblüter geprägten Typ.
historische Bilder: Sárvárer Leibreitpferde des Prinzen Franz v. Bayern, in der Mitte Vollblüter Luciano xx, der über seinen Sohn Meteorit xx auf die Leutstettener Einfluss nahm.



STUTENFAMILIEN
Drei Stuten aus den besten Zuchten Europas HELENA, BOGAR (1828 und 1830 importiert) und eine dritte begründeten die Stutenfamilien in Sárvár. Bis heute lässt sich jedes Sárvárer – Leutstettener Pferd auf Helena oder Bogar zurückführen (die dritte Familie ist ausgestorben). Diese Stuten sind die Grundlage für die „Sárvárer“, später „Leutstettener“ Halbblutrasse. Heute existieren 7 Stutenfamilien, die durch die Namensgebung mit dem Anfangsbuchstaben der jeweiligen Familie kenntlich sind.
HENGSTLINIEN
In der ersten Hälfte des 19. Jh. wurden die blutgeprägten Stuten mit Noniushengsten (Begründer der Rasse war ein normannischer Hengst NONIUS SENIOR) angepaart, um Grösse und Knochenstärke zu verbessern. Danach folgte eine Phase der Veredelung mit Shagya-Araber Hengsten um Regenerationsfähigkeit, Intelligenz und Geschwindigkeit zu fördern. Nachdem das Gestüt 1875 durch Erbschaft in Bayerischen Besitz überging, konzentrierte man sich auf die engl. Vollblutlinien FURIOSO und NORTH STAR, die sich im k.u.k. Gestüt Mezöhegyes als Linienbegründer bewährt hatten. Die große Bedeutung dieser Hengste führte zur Rassebezeichnung Furioso-North Star in den Zuchtgebieten Ungarn, Rumänien, Slowakei und Österreich.
LEUTSTETTENER PFERDE IN ANDEREN ZUCHTGEBIETEN
Ungarn: Anfang der 1980-iger Jahre ging eine Herde von etwa 40 Pferden aus dem Gestüt Leutstetten nach Ungarn zurück und gewann innerhalb der Furioso-North Star Zucht großen Einfluß. Dort traditionell als Sárvárer bezeichnet, werden alle sieben Stutenfamilien gepflegt. Ein hoher Anteil der gekörten Furioso-North Star Hengste führt Leutstettener Blut. Diese Population bildet einen wertvollen Pool für den Erhalt der genetischen Vielfalt innerhalb der Rasse und es findet eine freundschaftliche Kooperation statt.
Slowakei: im Rahmen eines Pachtprojekts hinterließen Leutstettener Stuten im Gestüt Motesice wertvolle Nachkommen. Das Gestüt hat Nachzucht der Stutenfamilien H, N und L, auf die die Leutstettener Züchtergemeinschaft zurückgreifen kann.
Österreich: auch auf die Altösterreicher / Furioso – Zucht nahm Leutstettener Blut Einfluss. In Zusammenarbeit mit Dr.vet.med. Sven Budik entstand eine umfangreiche Genreserve.

Hengst Cent II, Furioso-Hengst aus der Slowakei